Grüne Industriepolitik in der EU: Die staatlich getriebene Transformation der Batterie-Wertschöpfungskette

PhD - Projekt von Helena Gräf

Betreuung: PD. Dr. Stefan Schmalz und Prof. Dr. Christina Teipen, Universität Erfurt und HWR Berlin

Projektlaufzeit: 10/2022-09/2025

Im Zuge des Wettlaufes um strategische und grüne Zukunftstechnologien ("Green Race") gewinnt die „geopolitische Ökonomie der Batterieproduktion“ (Bridge/Faigen 2022) in der Internationalen Politischen Ökonomie an Relevanz. Dieses "Green Race" wird in der EU auch durch die „Geopolitisierung“ wirtschaftlicher Politiken (Meunier/Mickus 2020) ermöglicht. Es zeichnet sich ein neues Paradigma für Staaten und Märkte ab, welches über rein regulative Ansätze der „public governance“ (Horner/Alford 2019) hinausgeht und interventionistische Formen umfasst, wie beispielsweise der neue 'Subventionswettlauf' und die 'Twin Transition' widerspiegeln.

In diesem Kontext zeichnet sich im Globalen Norden eine "Rückkehr der Industriepolitik" (Wade 2014) ab - eine Politik die seit den 1980/90er nicht aktiv praktiziert werden sollte (Cherif/Hasanov 2019). Gleichzeitig gewinnen Konzepte wie „missionsorientierte Industriepolitik“ (Mazzucato 2018) oder „grüne Industriepolitik“ (Rodrik 2014) hinsichtlich der sozialen und ökologischen gerechten Ausgestaltung von Transformationsprozessen der globalen Produktion an Bedeutung.

Dabei stellen Globale Wertschöpfungsketten (GVCs) eine oftmals noch wenig berücksichtigte Herausforderung in der (Gestaltung von) Industriepolitik dar (Chang/Andreoni 2020). Heutzutage sind 70% des Welthandels in GVCs strukturiert (OECD 2024) - eine Tatsache, die spätestens seit der Covid-19-Pandemie an Bedeutung gewonnen und Debatten um GVC-Risiken, -Abhängigkeiten und -Resilienz bis hin zu Entkopplung, „near-shoring“, „re-shoring“ und „friend-shoring“ bedingt hat.

An der Schnittstelle dieser Ereignisse untersucht dieses kumulative Forschungsprojekt theoretisch und empirisch die Rolle staatlicher Akteure in der Koordinierung und beim Aufbau von Wertschöpfungsketten der Batterieproduktion mittels industriepolitischer Maßnahmen im Kontext eines sich wandelnden geopolitischen und geoökonomischen Kontexts in der EU. Das Projekt ist wie folgt strukturiert:

1. Projekt

Gemeinhin gelten divergierende industrielle Entwicklungen (inklusive Deindustrialisierung) nach der globalen Finanzkrise 2007/08, die grüne und digitale Wende, der Bedarf einer sozial-ökologischen Transformation der industriellen Produktion und geopolitische Konkurrenz, insbesondere mit China (Dullien 2021), als Gründe für Änderungen in der europäischen Industriepolitik. Der erste Artikel knüpft hierbei mit einer systematischen Analyse signifikanter Veränderungen in der europäischen Handels-, Investitions-, Wettbewerbs- und Industriepolitik bedingt durch die Internationalisierung staatlich unterstützter chinesischer Unternehmen an:

Gräf, H., & Schmalz, S. (2023). Avoiding the China shock: How Chinese state-backed internationalization drives changes in European economic governance. Competition & Change: https://doi.org/10.1177/10245294231207990.

2. Projekt

Das zweite Unterprojekt beleuchtet Änderungen in der Industriepolitik in der EU vor dem Hintergrund geoökonomischer und geopolitischer Herausforderungen. Diese werden anhand einer illustrativen Fallstudie der Batterie „Important Projects of Common European Interest“ (IPCEI) sowie weiterer zum Batterie-Ökosystem zugehörige Politikinstrumente analysiert.

3. Projekt

Das dritte Unterprojekt untersucht die Auswirkungen dieses verstärkten Aufholprozesses der EU insbesondere vis-à-vis den USA und China auf (Produktions-) Länder im der (Semi-) Peripherie.

Projektbeschreibung

Das globale Automobilproduktionsnetzwerk befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel („green transition“). Eine Schlüsselrolle spielt dabei die Umstellung auf Batterieproduktion und Elektromobilität, die sich in verschiedenen Teilen der Welt in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befindet. Asymmetrische Machtdynamiken und strategische Entscheidungen sogenannter Leitfirmen haben Auswirkungen auf Tochtergesellschaften und Zulieferer in transnationalen Wertschöpfungsketten. Diese globalen Wertschöpfungsketten (GVC) werden nun zudem durch staatliche Akteure beeinflusst. In China, den USA und Europa wird der Übergang zur E-Mobilität durch Subventionen unterstützt; grüne Industriepolitik hat an Dynamik gewonnen. Darüber hinaus zielen neue regulatorische Rahmenbedingungen von Staaten im Globalen Norden auf soziale und ökologische Ergebnisse in GVCs ab, wie etwa das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Brasilien hat sich seit den 1950er Jahren in die globalen Automobilproduktionsnetzwerke integriert und ist zu einem wichtigen Produktionsland geworden, insbesondere für ausländische Automobilfirmen. Daher untersucht dieses Forschungsprojekt die transnationalen Auswirkungen des laufenden Übergangs zur Batterieproduktion auf Unternehmen in Brasilien und wie diese Unternehmen mit dem Übergang umgehen. Der Forschungsschwerpunkt liegt darauf, wie Staaten diese Auswirkungen gestalten. Ziel ist es, im Rahmen der aktuellen Umstrukturierung der globalen Automobil-GVC die Möglichkeiten für wirtschaftliches, soziales und ökologisches „Upgrading“ in Brasilien zu bewerten. Der theoretische Bezugsrahmen bildet GVC „Public Governance“  sowie „Up- & Downgrading“ Trajektorien in GVCs. Methodisch wird ein qualitatives GVC-Mapping auf der Grundlage einer Einzelfallstudie entwickelt, das durch Experteninterviews und eine Sekundärliteraturrecherche gestützt und durch quantitative Daten ergänzt wird.

Literatur:

Bridge, G. and Faigen, E. (2022) Towards the lithium-ion battery production network: Thinking beyond mineral supply chains. Energy Research & Social Science, 89, 102659.

Chang, H.J. and Andreoni, A. (2020) Industrial policy in the 21st century. Development and Change, 51(2), pp. 324-351.

Cherif, R. and Hasanov, F. (2019) The return of the policy that shall not be named: Principles of industrial policy. IMF Working Paper 19/74.

Dullien, Sebastian (2021) Nach der Corona-Krise: Die nächste Phase der (De-)Globalisierung und die Rolle der Industriepolitik, IMK Policy Brief, No. 100, Hans-Böckler-Stiftung, Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Düsseldorf.

Horner, R. and Alford, M. (2019) The roles of the state in global value chains. In Ponte, S., Gereffi, G. and Raj-Reichert, G. (eds.) Handbook on global value chains, Edward Elgar Publishing, pp. 555-569.

Mazzucato, M. (2018) Mission-oriented innovation policies: Challenges and opportunities. Industrial and Corporate Change, 27(5), pp. 803–815.

Meunier, S. and Mickus J. (2020) Sizing up the competition: explaining reform of European Union competition policy in the Covid-19 era. Journal of European Integration, 42(8), pp. 1077-1094.

OECD (2024) The trade policy implications of global value chains. [Online] www.oecd.org/trade/topics/global-value-chains-and-trade/ (Zugriff 03.01.2024).

Rodrik, D. (2014) Green industrial policy. Oxford review of economic policy, 30(3), pp. 469-491.

Wade, R.H. (2014) Return of industrial policy? International Review of Applied Economics, 26(2), pp. 223-239.